Nachdem ich schon an einigen Bergwochen teilgenommen habe, wollte ich nun
testen, ob die Wanderfreizeit in Hüttschlag wirklich so romantisch ist, wie
es mir zuvor berichtet wurde.
Bereits im Zug und dank eines längeren Aufenthalts in
St. Johann im Pongau lernte ich in lockerer
Atmosphäre einige mir bis
dato noch unbekannte,
TeilnehmerInnen kennen und traf dort auch mir bereits bekannte Wanderfreunde an,
was zusammen mit dem herzlichen Empfang des Hüttenwirtspaares Anna und
Werner, das Hotel heißt Zum Hüttenwirt, und dem ersten Abend mit der
Gruppe mich in dem Gefühl bestärkte, meine Entscheidung nicht bereuen
zu müssen. Dieses Gefühl wurde die ganze Woche über nie
enttäuscht.
Um halb acht in der Früh - wie herrlich für Langschläfer! -
begann der Tag mit einer schönen Morgenandacht, woran sich ein
reichhaltiges Frühstück anschloss. Meistens gegen 9 Uhr war Abmarsch
oder Abfahrt. Bis auf Mittwoch leitete Werner die Wanderungen.
Viel Regen vor der Wanderwoche hatte zu Murenabgängen geführt und die
vollsehenden TeilnehmerInnen waren zudem leider nicht in großer
Überzahl, so dass wir meist auf Forstwegen wanderten. Insbesondere für
die Anhänger der "coolen Steigerln" war der Genuss aber deshalb
umso intensiver und die Freude groß, wenn es ins Gelände ging.
Unsere Wanderziele waren Almen, in denen ausgiebig eingekehrt wurde, und Werner
bewies Geschmack bei deren Auswahl, denn die Almen waren gemütlich und das
leibliche Wohl kam, ob Kasjausn oder Kaiserschmarrn, nicht zu kurz, wobei es
freilich abends zu den kulinarischen Höhepunkten kam, denn Anna, Werner und
ihr
Team verwöhnten uns nach Leibeskräften und
erfüllten uns auch sonst nach Möglichkeit jeden Wunsch.
Von Beginn an herrschte in der Gruppe gute Laune, und auch das Wetter passte
sich dieser fröhlichen Stimmung im Laufe der Woche immer mehr an. Am
Sonntag erlebte zumindest ich eine Premiere, nämlich ein
mitternächtliches Treffen im Heizungskeller zwecks Schuhpflege, da es am
Sonntag auf dem Rückweg sehr stark regnete. Ausgerechnet bei diesem Wetter
zog sich die Gruppe weit auseinander und einige TeilnehmerInnen verliefen sich,
was vor allem für zwei eh sehr emsige und wackere Wanderer einen sehr
weiten Umweg bedeutete. Montags wurde aufgrund des Regens das Programm halbiert,
und wir gingen zum Krapfenessen, so konnten wir auf wunderbare Weise für
die nächsten Wanderungen Energie tanken.
Am Dienstag besuchte uns Christl und wanderte mit uns mit. Ein Musikerpaar
begleitete uns und spielte auf der Alm mit Akkordeon und Ratsche stimmungsvoll
auf. Eine Ratsche taugt neben der Geräuscherzeugung auch zum Training der
Armmuskeln und schlägt womöglich bei falschem Gebrauch Menschen in die
Flucht, denn beim Aufbruch vermissten wir eine Begleiterin, welche ohne ihren
Mitwanderer Richtung Tal geeilt war.
Am Mittwoch führte uns eine strenge Bergführerin erst zu einer
wunderschönen Kapelle, in der wir ein Marienlied erklingen ließen,
das als Beitrag zur konfessionellen Integration ein Protestant vorschlug.
Anschließend lehrte uns die Bedienung auf der Alm, dass nicht jeder
"kölsche Jung" eine rheinische Frohnatur ist, die Sennerin war
aber umso sympathischer.
Am Donnerstag stand eine Tour auf dem Programm mit der Variante, fast nur Steige
zu gehen und mit einer besonderen Hüttenrast, nämlich auf riesigen,
vielleicht extra für Paare angefertigten, Liegestühlen mit
Schaffellen. Für mich war dies der Höhepunkt der Woche.
Leider hat uns Christl zwei Tage zu früh besucht, sonst hätte auch sie
freitags die Ehre gehabt, an der Raggl-Alm vorbei auf dem Raggl-Steig zu
wandern, welcher sehr schön war. Die Ziegen anschließend auf der Alm
wurden sicher selten so gut gefüttert wie von uns.
Am Abschlussabend wurde gesungen, eine Teilnehmerin mit beneidenswertem Talent
für Dichtkunst trug einen Wochenrückblick in Versform vor und samstags
ging es nach einem gemütlichen Frühschoppen zurück in die
Heimat.
Die Lage von Hüttschlag am Talschluss, die Wanderungen durch die
wunderschöne Gegend, das Vorhandensein eines Hochzeitszimmers im Hotel, die
Gaudi mit der Gruppe und vieles mehr ließen übrigens durchaus
romantische Gefühle zu. Wer nicht unbedingt Höhenmeterrekorde
aufstellen muss, gegenüber längeren Einkehrschwüngen nicht
generell abgeneigt ist und trotz großer Sehnsucht dem Berggipfelglück
gelegentlich entsagen kann, ist bei dieser Woche gut aufgehoben. Mir hat es mit
Euch sehr gut gefallen. Habt eine gute Zeit und für die Wirts-Anna noch
alles Gute für ihren Fuß, damit sie möglichst bald wieder
schmerzfrei gehen und uns im nächsten Jahr auf eine Alm begleiten
kann.
... Im Juni 2015 war ich mit meinen Hunden auf meiner Hütte unterhalb der
Reitalm. Plötzlich waren die Hunde weg und begrüßten eine Gruppe
am Tor. Durch Werner erfuhr ich, dass ein Teil der Leute blind ist. Die Hunde
zeigten ein eigentümlich vertrautes Verhalten, sie gingen mit zur Kapelle,
wo sie warteten. Aus der Kapelle klang ein Marienlied, das mich tief
berührte. Danach gab es ein ziemliches Durcheinander, die Hunde waren
natürlich die Stars. Mich faszinierte, mich beeindruckte und mir blieb das
Leuchten dieser Menschen in ihren Augen. ...